Klangliche Hypnose
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Schlosskonzert mit Musik der „Goldenen Zwanziger“
…. Ein Glücksgriff war das Engagement von Florian Ziemen als Gastdirigent. Der GMD der Oper Hildesheim ging die Partituren von Paul Lincke, Eduard Künneke, Kurt Weill, Oscar Straus, Franz Lehár und Paul Abraham fernab jeder Theaterroutine mit Gewissenhaftigkeit an. Ziemen ließ ein differenziertes Klangbild entstehen, verlieh der Musik rhythmische Kraft, schuf die unterschiedlichsten atmosphärischen Facetten und entlockte so dem glänzend aufgelegten Philharmonischen Orchester das für diese Musik ideale Feeling.
Das bildete den idealen Background für die Sängerin Salome Kammer. Ursprünglich Cellistin, debütierte sie 1983 als Schauspielerin in Heidelberg, bildete später ihre Gesangsstimme aus und ist seitdem in allen Musikbereichen des 20. Jahrhunderts unterwegs. Sie ist ausgestattet mit Charme, einer maßstabsetzenden Sprachbehandlung und einer Stimme, der zwischen brustigem Chansonklang in tiefer Altlage bis zu höchsten Belcantotönen des Soprans alle Möglichkeiten offen stehen. Vor allem aber begeisterte sie das Publikum durch ihre überzeugenden Ausdrucksvarianten von selbstironischem Witz („Heut‘ hab ich ein Schwipserl“/ Abraham) über sozialpolitische Anklage („Was hat eine Frau von der Treue“/ Abraham) zu erschütternder Tragik („Surabaya-Johnny“/ Weill)…
RNZ, 19.7.2021
Ein Ja zur Operette im historischen Stil
… Apropos Heidelberger Theater: Das Philharmonische Orchester kann Operette ganz famos – und auch diese in sozusagen historischer Aufführungspraxis.
Das belegte jetzt das zweite Schlosskonzert, das am Donnerstag bei gutem Wetter gegeben werden konnte. Unter dem Titel „Goldene Zwanziger“ standen Hits aus der Berliner Operette jener aufregenden und lebenslustigen Jahre zwischen den beiden katastrophalen Weltkriegen im Mittelpunkt.
Als Gast stand Florian Ziemen am Pult, der sich als Interpret der Operette jener Zeit in den rekonstruierten Urfassungen mit Recht einen Namen gemacht hat. Er bringt nämlich auf diese Weise das Kühne, auch Subversive und Emanzipatorische mit ihrer Adaption des für Europa damals völlig neuen Jazz-Idioms optimal zur Wirkung.
Die gelungene Mischung aus bekannten und weniger oder kaum bekannten Stücken jener Glanzzeit des heiteren Musiktheaters in der Hauptstadt brachte in jenem Fall erfrischende Entdeckungen. Ohne Kitsch und Kleister (also fettem Klang) zündeten diese Stücke auf neue Weise. Es gab viel mehr Farben und aparte Details als üblicherweise zu hören…
Eine ideale Solistin war Salome Kammer, die durch die absolut unaffektierte, aber deshalb so starke Interpretation der Kurt-Will-Songs ebenso begeisterte wie durch ihren immer überlegten, genau artikulierten und im Ton kessen, aber von Showmätzchen völlig freien Vortrag der Operettenstücke. Sie machte in der Tat spürbar, dass ein neues selbstbewusstes Frauenbild in diesen Stücken zum Ausdruck kommt. Ein großer Genuss!
Rheinpfalz, 17.7.2021
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