Wenn ich mir was wünschen dürfte – in Simmern

Mit einem Liederabend unter dem Titel „Wenn ich mir was wünschen dürfte“ entführte die Sängerin Salome Kammer auf besondere Art und Weise in die brodelnde Stadt Berlin zu Beginn des 20. Jahrhunderts und der Goldenen 20er-Jahre.Rudi Spring zeigte sich nicht nur ihr Liedbegleiter am Klavier, auch gesanglich im Duett machte der Musiker eine hervorragende Figur. Auf kabarettistische Weise begeisterten die Künstler mit Liedern und Chansons aus dem Berlin der Jahrhundertwende.

Salome Kammer schreit, plärrt, kiekst, singt, rezitiert und schauspielert auf höchstem Niveau, wenn sie die nur selten zu hörenden Stücke der damals in Berlin aktiven Komponisten zum Besten gibt. Und dabei gibt sie auch gern mal „den Kerl“, wie sie sagt, etwa wenn sie in Arnold Schönbergs (1874–1951) 1901 komponierten „Brettl-Liedern“ den „genügsamen Liebhaber“ mit „blitzblanker Glatze“ mimt. Bereits Schönbergs Stücke, die der Komponist für das nach Pariser Vorbild neu gegründete Berliner Kabarett-Theater „Überbrettl“ schrieb, geben dem Zuhörer ein Bild davon, wie es in der Berliner Unterhaltungskultur zuging. Frech, frivol, auch mal dümmlich sind sowohl die Texte als auch Kammers Umsetzung – stets mit kongenialer Begleitung des Pianisten Rudi Spring – derart witzig, dass es den Zuschauern die Lachtränen in die Augen treibt. Und dabei sind die Themen der Stücke teilweise so aktuell, dass man seinen Ohren kaum trauen mag. Die „Moderne Treue“ und „Ich bin eine Frau, die weiß was sie will“ von Oscar Straus (1870–1954) etwa machen deutlich, wie emanzipiert die Damen um die Jahrhundertwende bereits waren. Und wer hätte gedacht, dass es damals bereits den Trend zu Schönheitsoperationen gegeben hat? Kess, mit piepsig-kieksendem Stimmchen und fabelhafter Berliner Schnauze bringt Kammer Paul Strassers (1892–nach 1955) „Wejen Emil seine unan-ständje Lust“ auf die Bühne und lässt das Publikum wundern, wie aktuell dieses hundert Jahre alte Lied auch heute noch ist.

Auch Klassiker durften nicht fehlen

Dass Kammer nicht nur singen, sondern auch rezitieren kann, bewies sie mit den Laut- und Klanggedichten von Hugo Ball (1886–1927), darunter auch sein „Gadji beri bimba“, das heute als „Wiege des Dadaismus“ gilt. Dabei zeigt die Sängerin beeindruckend, was man aus Sprache machen kann und wie fließend der Übergang von Lautmalerei zu Musik ist. Doch natürlich dürfen im Programm auch die „Klassiker“ Kurt Weill (1900–1950) und Friedrich Hollaender (1896–1976) nicht fehlen. Und mit der Zugabe „Augen in der Großstadt“ erinnert die Sängerin noch einmal an Edgar Reitz‘ Heimat 2, in der Kammer das Lied als Clarissa in der Villa Cerphal singt.

Dass der Pianist Rudi Spring nicht nur ein hervorragender Liedbegleiter ist, der es versteht, die Charakteristika der Stücke unglaublich nuancen- und facettenreich umzusetzen und zu unterstreichen, machte der zweite Teil des Konzerts deutlich. Nach zwei Stücken am Klavier solo begeisterten Kammer und Spring mit vier Galgenliedern nach Christian Morgenstern, die der 1962 geborene Musiker selbst komponierte.

Rhein-Hunsrück-Zeitung, von Charlotte Krämer-Schick 15.10.2018

 

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