Brecht und die Frauen – ein Lied & Lyrik Abend

Brecht und die Frauen  – in Darmstadt

VERLIEBT IN DIE LIEBE

„Salome Kammer, Stimme“ heißt es schlicht im Programmheft des Staatstheaters Darmstadt. Und tatsächlich war das, was die Künstlerin in Begleitung durch den Pianisten Rudi Spring bot, ein Wechselbad zwischen Sprechen und Singen, unterstützt durch vielfältigen schauspielerischen Körpereinsatz…
Es entschädigten zum einen die zarten und lakonischen Liebesgedichte von Brecht und seinen Frauen, die Kammer in ihre biografischen Exkurse einstreute, und zum anderen die Songs, die sie mit Temperament und Delikatesse, mit Schwung und Feingefühl vortrug, immer auf die Einheit von Wort und Ton bedacht…
Kammer verstand es mit ihrer bald einschmeichelnden, bald aufbegehrenden Stimme zum Kern der Songs vorzudringen, die menschliche Unzulänglichkeit, die sexuelle Hörigkeit, die Rücksichtslosigkeit ans Licht zu bringen. Großartig dabei ihre Fähigkeit, die Stücke auf ihre Pointe hin zu steigern, etwa im Couplet der Seeräuber-Jenny, die sich bitter rächt für Schmach und Unterdrückung, oder im Lied vom Surabaya-Johnny, wenn die Liebe schließlich über alle Verachtung triumphiert.
Salome Kammer hat ein Gespür für die Gefahr der Einförmigkeit, die sich aus der engen Erfolgsmasche des Duos Brecht-Weill ergibt. Da tat es gut am Ende des Abends, dass mit französischen Chansons, die Weill nach seiner Emigration schuf, neue, dramatischere Töne zum Klingen kamen. „Youkali“ und „Je ne t’aime pas“ sind Kostbarkeiten, die mit besonders starkem Beifall bedacht wurden. Und für die Wiedergabe des Liedes „I’m a stranger here myself“ zog Salome Kammer ihren Bruder Stefan, Solo-Kontrabassist im Staatsorchester Darmstadt mit heran, der das Klangbild durch seine kräftigen Pizzicati und eine kurze Improvisation bereicherte.

Klaus Trapp, Darmstädter Echo, 2011

Brecht und die Frauen – in Kloster Banz

Brecht, die Frauen und Kurzweil

Er war ein begnadeter Dichter und Autor. Einer, dem deshalb mit gutem Grund die Ehre zuteil wird, einen Platz im Kanon der großen deutschen Schriftsteller innezuhaben: Bert Brecht. Dass er eine Affinität zu Frauen hatte, ein Liebhaber und gleichzeitig Herzensbrecher war, ist hinlänglich bekannt. Unter dem Titel „?bevor es Nacht wird?‘ Bert Brecht und die Frauen“ lud die Veranstaltungsreihe „Lied & Lyrik“ am Dienstag zu einem lyrisch-musikalischen Abend im Kaisersaal mit der Schauspielerin Salome Kammer und dem Pianisten Siegfried Mauser.
Bertolt Brecht (1898-1956), geborener Augsburger, war zweifelsohne ein großer Liebeslyriker mit einer tiefen Empfindung für Frauen, wenngleich er auch „ein großer Schuft“ war. Das betonte Salome Kammer gleich zu Beginn.
In seiner „Fülle an Gedichten“, erklärte sie später im Gespräch mit dem Obermain-Tagblatt, befinden sich „viele richtige Frauenlieder“ und, obwohl sie aus der Feder eines Mannes stammen, meine man doch, sie entsprangen dem Mund einer Frau.
Und die Rezitatorin verstand es meisterlich, facetten- und gestenreich Leidenschaft, Verlangen, Lust, Liebe, gleichwohl wie Dramatik, Eifersucht und Leid darzustellen.
Brecht hatte viele Frauen, namentlich (und in chronologischer Reihenfolge) Paula Barnholzer, Marianne Zoff, Marieluise Fleißer, Helene Weigel, Elisabeth Hauptmann, Margarethe Steffin und Ruth Berlau. Und Brecht war nicht nur ein begnadeter Lyriker, sondern überdies überaus wortgewandt, so dass er oft ewige Treue schwor und die Damen dem Glauben schenkten.
Er konnte und wollte keiner seiner Frauen treu sein, lebte stets in einer Schar von Liebschaften überall wo er weilte, auch im Exil, und spielte ein unfaires Spiel mit allen Geliebten. Denn jede sollte wissen und glauben, sie sei die Wichtigste, die Einzige. Dass sich Glaube gemeinhin von der Realität distanziert, ist ebenso verständlich. Am treffendsten beschreibt wohl das erste Gedicht von Salome Kammer Brechts Verhältnis zu dessen Frauen: „In meine leeren Schaukel-stühle vormittags – Setze ich mitunter ein paar Frauen – Und ich betrachte sie sorglos und sage ihnen – In mir habt ihr einen, auf den könnt ihr nicht bauen.“ Gewiss hegte er erotisches Interesse an ihnen. Doch als das nachließ, band er sie beruflich an sich und förderte sie auch. Elisabeth Hauptmann etwa, lieferte Stoffe, Vorlagen und Übersetzungen, schrieb mit, ab und korrigierte. Und seine „offizielle Ehefrau“ Helene Weigel, eine begabte Schauspielerin, beeinflusste die Frauenfiguren in Brechts Werken.

Zum einen war der Abend gewürzt mit biographischen Appetithäppchen, die gewissermaßen von Salome Kammer als das entscheidende Körnchen Salz auf die lyrischen Leckerbissen gestreut wurden. Einen großen Teil bildeten auch die Lieder von Kurt Weill. Dessen Zusammenarbeit mit Brecht in mehreren musikdramatischen Werken war für die Entwicklung des epischen Theaters, wie etwa die „Dreigroschenoper“, wesentlich.

Der „Alabama Song“ aus „Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny“ zeigt, vor dem Hintergrund der Mädchen, die die Heimat verloren haben, dass sie als einzige Überlebenschance sehen, sich an die Männer von Mahagonny zu verkaufen. Die Hoffnung auf ein besseres Leben, auf romantische Liebe und Geborgenheit wird gleichsam begraben.
Kurt Weill war es, der in der Solostimme Jennys einen markanten Wechsel zwischen traurig-nostalgischen Tönen und zynisch-echauffiertem Sprechgesang schuf. Das nahezu kongeniale Zusammenspiel zwischen Mauser am Flügel und dem Gesang Kammers traf genau die Intention.
„Brillante Liedeinfälle“ seien es, betonte der Künstler Siegfried Mauser, welche eine „textgeborene Melodik“ entwickeln und mit einer „kunstfertigen Volkstümlichkeit“ glänzen.
Brecht sprach mit den Gedichten dem gemeinen Volk aus der Seele. Etwa das Stück „Über die Verführung von Engeln“, welches genau das in anzüglich-frivoler, aber gleichzeitig volkstümlicher Sprache beschrieb.
Es war eines der Gedichte an dem Abend, bei dem das zahlreich erschienene Publikum lachte. Ein Lachen, das bei genauerem Nachdenken im Halse stecken blieb. Die Liebe im Allgemeinen und alle ihre Facetten im Besonderen wurden angeführt.
So auch der Liebesverlust, der bei (zu) vielen Beziehungen eintritt.
Im Gedächtnis haften bleibt gewiss auch der lyrisch-musikalische Abend. Nicht nur, weil er einen harmonischen Ausklang mit Chansons bildete. Auch deshalb, weil den Protagonisten Salome Kammer und Siegfried Mauser mit Rezitation und Intonisation ein Brückenschlag gelang.
Eine harmonische Symbiose aus Liebeslyrik, Musik, Bert Brecht und (seinen) Frauen. Und das mit viel Kurzweil.

Phillip Fischer, Obermain Tagblatt, 2009

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