… Halb handelt es sich um ein Melodram, halb um eine Zeitoper. Nur eben konzertant, ohne Kostüme. Iris ter Schiphorst hat es für zwei Stimmen komponiert, für das Ascolta Ensemble und Elektronik. Felicitas Hoppe schrieb ihr, im ständigen Zwiegespräch, den Text dazu. Verhandelt wird, wer von beiden zuerst da war, was wichtiger ist: Henne oder Ei? Sprache oder Musik? Dichter oder Komponist? Prima la musica, poi le parole? Selbstverständlich hat die Story autobiographische Züge. Es wimmelt nur so von Zitaten und Selbstzitaten. Um die Spuren zurück zu Richard Strauss oder Antonio Salieri zu verwischen, haben die beiden ihr Werk nicht Capriccio genannt, sondern: Was wird hier eigentlich gespielt? – Doppelbiographie des 21sten Jahrhunderts.
Hoppe spricht ihren Part selbst, mit Ironie, aber auch tieferer Bedeutung. Sie singt sogar ab und zu. Ter Schiphorst lässt sich beim Sprechen und Singen vertreten von der unübertrefflichen Salome Kammer, die außerdem kreischen und flüstern kann, tanzen und marschieren. Bei diesem Dreamteam ist klar, dass nicht eine Sekunde Langeweile aufkommt. Die Sache beginnt mit Grimms Märchen vom eigensinnigen Kinde und reicht über Sarabandennostalgie und Garagenbandsound sowie verfremdete Kinderspiele wider die Geschichtsvergessenheit (»Dreh Dich nicht um!«) bis zu Beethovens Freudenode, bei der alle entsetzlicherweise mitsingen, immer lauter, bis aus Beethoven ein nicht endenwollender Bombenhagel wird, für den eigens Ohrstöpsel hätten ausgegeben werden müssen. Generalpause. Leere. Der Krieg ist angekommen in der Donauhalle. Da die Akteure und Autoren auch nicht so recht wissen, wie sie damit umgehen sollen, hören sie damit nicht auf. Sie fügen eine Coda an. Und wären sie nicht so klug, in dem, was sie tun, würde auch das nicht funktionieren. Tut es aber…
VAN, Eleonore Büning, 25.10.2023
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