… Immerhin: Diese Lieder haben keine historische Patina angesetzt, sondern funktionieren in ihrer Grundsätzlich- und damit Zeitlosigkeit immer noch sehr gut. So auch „Wenn ich mir was wünschen dürfte“ (Hollaender), ein melancholisches Innehalten in zaghafter Ratlosigkeit: „Menschenskind, warum glaubst du bloß, gerade dein Leid, dein Schmerz, wären riesengroß?“ Die Antwort: „Träume sind nur schön, solang sie unerfüllbar sind.“ Aber bloß nichts anmerken lassen.
Keine Frage: Salome Kammer ist eine hervorragende, weil vielseitige Interpretin. Ihr mehr als facettenreicher Gesang, ausdrucksstark und changierend im wechselnden Rollenspiel zwischen mal görenhaft berlinernd („Heut’ hab ich ein Schwipserl“), schmachtendem Chanson („Je te veux“) oder leichter Swing-Dynamik („Slap that bass“) setzt stets ganz eigene Akzente. Das gerät jedoch schnell zu übertrieben großer, ausladender Geste, die auch etwas kleiner hätte ausfallen können. Möglicherweise traut sie der Qualität des Repertoires nicht?
Mit Maria Reiter an den Tasten hat Kammer einen verlässlichen wie virtuosen Ruhepol an ihrer Seite. Das Frauen-Power-Duo läuft vor allem nach der Pause zur Höchstform auf.
Mit Swing, Schlager und als besinnlicher Höhepunkt das instrumentale Klezmer-Thema aus Moldawien („Goldenshteyns“) gelingt es Salome Kammer und Maria Reiter, in der Loisachhalle eine intime Club-Atmosphäre herzustellen, inklusive kollektivem Fingerschnippen. Spaß musste sein, die „Goldenen Zwanziger“ als pulsierender Fluchtpunkt, wohl wenn auch noch keiner ahnen wollte, dass am Horizont bereits die nächste Katastrophe dämmerte.
14.10.2023, Merkur
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