Salome Kammer lässt Scharfrichterhaus erbeben
Salome Kammer singt nicht, sie bebt. Virtuos springt sie zwischen den Tonlagen hin und her, kreischt, schreit, jodelt und mündet dann doch in einen opernverdächtigen Sopran. Ihre Chansons greifen Alltägliches auf: Tinnitus und Beipackzettel, eine Autofahrt nach Anleitung des Navigationssystems und die Benutzung von Tampons werden am Freitag im Passauer Scharfrichterhaus besungen.
Furios ist hingegen die Umsetzung. Kammer verzieht das Gesicht, beißt sich auf die Unterlippe, reißt den Mund auf, dreht sich in dem mit Pailletten besetzten roten Häkelkleid auf dem Absatz ihres gleichfarbigen Stöckelschuhs und bewegt sich hüftenschwingend nach Charleston-Art über die Bühne. Ihre Aussprache ist akzentuiert und deutlich, ihre Stimmgewalt raumfüllend.
Die Inszenierung wird von Peter Ludwig am Klavier begleitet, der die Musik komponiert hat und Kammer bei einigen Stücken auch gesangliche Unterstützung bietet. Als ebenso banal wie genial entpuppt sich etwa seine Vertonung des Programms der Volkshochschule München. Solistisch ist Ludwig leider nur ein einziges Mal zu hören, ansonsten tritt er zu Gusten der Diva galant in den Hintergrund. Die singt verwegenen Blicks, kess und frivol mit osteuropäischem Akzent vom Lustgarten Moosach, von der Liebe unterm Schnittlauchstängel, von der Kunst des Origami und von selbstgenähten Teddybären. Hingebungsvoll räkelt sie sich auf dem Flügel und haucht lasziv ins Publikum, um sogleich in orgiastisch verzücktes Stöhnen zu verfallen.
Mit der „Nacht voll Leidenschaft und Zauber“, wie in ihrem ersten „Chanson Bizarre“ angekündigt, hat die Gesangsvirtuosin nicht zu viel versprochen. Davon, dass das Scharfrichterhaus nur spärlich besetzt war, ließen sich Salome Kammer und Peter Ludwig die Show nicht verderben. „Wir sehen uns selbst auch als Geheimtipp“, so die Chansonette. Wohl wahr.
Judith Steinleitner, Passauer Neue Presse, 2007
Solange Künstlerinnen wie Salome Kammer auftreten, muss niemand um die deutsche Kabarettszene bangen. Bildlich gesprochen lagen der Diseuse im roten Spitzenkleid die Gäste nach zwei Stunden zu Füssen. Es war ein Abend zum Niederknien!
…In der Künstlerin Salome Kammer bündeln sich die Talente einer hochkarätigen Sängerin, einer erstklassigen Kabarettistin, einer hinreißenden Schauspielerin und einer femme fatale, die mit laszivem Räkeln (O-Ton: „Jede gute Diseuse muss einmal auf dem Flügel liegen“) auf einen starken Feuerwehrmann wartet, um in dessen Armen einem wohltuenden Orgasmus entgegenzuträllern. Buchstäblich in jedem Chanson steckt Erotik.
…Salome Kammers Auftritt war hinreißend, umwerfend, phänomenal. Darüber hinaus stellt sie mit ihrem hochartifiziellen Programm vor allem jene Chansonetten in den Schatten, die mit Vertrautem und Bewährtem die Häuser noch immer zu füllen verstehen.
Sybille Schiller, Augsburger Zeitung, 2007
…Eine kritische Aussage im Sinne des politischen Kabaretts gibt es kaum. Die Botschaft ist schlicht und einfach Salome Kammer in persona – ihre Bühnenpräsenz, ihr schauspielerisches Können, ihre Stimme, ihre Fähigkeit, das Nichts-Aussagende zum musikalischen Manifest emporzuheben. Das ist vielleicht mehr komödiantische Unterhaltung als Kabarett, aber beileibe keine schlechte Botschaft.
Denn der Abend reicht gerade aus, um den Facettenreichtum ihres darstellerischen und stimmlichen Potentials wenigstens erahnen zu können: ob leiser, brüchiger Gesang eines schüchternen Mädchens oder inbrünstiges Stöhnen und dramatischer, ausladend tremolierender Belcanto einer sich lustvoll räkelnden Liebhaberin, die sich im Traum mit einem potenten Feuerwehrmann kühn aus dem Fenster ihres brennenden Hauses ins Paradies der Lust stürzt. Ob hysterisch kreischende Matrone oder Bluesdiva, die mit vollem Mund, Schokoladenstücke und halbzerkaute Haselnüsse mit aufreizender Lässigkeit und Selbstverständlichkeit in den eleganten Hubertussaal prustend, ihren schmachtenden „Chocolate-Blues“ singt. Kammer entdeckt in jedem Charakter, in jedem Augenblick des Alltags die ihm innewohnende Erotik, lässt den Zuschauer durch die Harmonie von Moderation, Deklamation, Gesang, Mimik und Gestik an diesem extrovertiert in Szene gesetzten Findungsprozess teilhaben.
Dabei durcheilen Kammer und Ludwig geschwind die jüngere Musikgeschichte, deren Stationen sie mit großer stilistischer Sicherheit ansteuern…Das ist Kleinkunst, die minimalen Inhalt der Textvorlage und maximale Expressivität zusammenführt. Ein Gesamtkunstwerk, das Komik und Dramatik auf unbeschwerte Weise vereint und gerade deshalb seine Wirkung entfaltet.
Andreas Pernpeintner, Süddeutsche Zeitung, 2006
Der erste Höreindruck des Abends verwies auf eine große und bedeutende Vorgängerin – Cathy Berberian, die leider längst verstorbene Zwölftonprimadonna. Wie dieser steht Salome Kammer eine nicht unbedingt große, aber intensive und tragfähige Stimme von klarem aber kühlem Reiz zu Gebot. Und, – das ist eben das Besondere, die Gabe mit der Stimme tausend lautmalerische Nuancen zu verwirklichen, die das Publikum in höchstem Maße entzücken und den Connaisseur zu den Engeln schicken.
…Spätestens als sie von ihrem Tinnitus-Problem berichtet und singend den Beipackzettel ihres Präparates mit all seinen Nebenwirkungen vorträgt (inclusive des abschließenden Komas) begreift man – hier werden unkonventionelle Wege beschritten. Das Resultat ist zum Niederkien.
Die Stimme ist ein Vergnügen für sich, aber auch das drollige, bald clowneske, bald manische Mienenspiel passen ideal zu den Liedern voll komischer Traurigkeit und verzweifeltem Überlebenswillen. Die musikalischen Quodlibets der Kammer, die verrückten kleinen Canzonen und stimmlichen Trapeznummern brachten das Publikum zum Klatschen und Johlen, wie es selbst das Kulturfenster selten erlebt.
Reginald Dehoff, Rhein-Neckar Zeitung, Heidelberg, 2005
…Stimmakrobatin, schön schrill. Da hielt am Ende ihres dichten zweistündigen Programms niemanden mehr auf dem Allerwertesten. Spätestens, als sie, den Mund voller Schokolade, einen halberstickten Blues zum Besten gab, war klar, dass hier hochartifiziell und mit erheblichem Geschichtsbewusstsein unser Alltag durch den Kakao gezogen worden war. Salome Kammer bringt auf diese Art nicht nur viel Humor in müde gewordene Beziehungen, sondern vor allem auch avancierte Musik unters Volk, ohne dass man es merkt. Mit ihrem Programm knüpft sie an jene Zeit um 1930 an, als Kabarett, Jazz, Oper und Klassik sich so nahe gekommen waren, wir danach nie mehr…
Achim Heidenreich, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 2005
„Dosierung nach Vorschrift. Genau und exakt.“ Das Banale derartiger Textbausteine transferieren Salome Kammer und Peter Ludwig mit den Mitteln einer spielerischen musikalischen und dramatischen Überhöhung in eine Sphäre blanker Bedeutungslosigkeit. So entsteht eine lose Verwandtschaft zum Dadaismus. Ein wenig Weltanalyse mag da schon mitschwingen, doch haben wir es zu allererst mit schwereloser Unterhaltung zu tun. Was wohl bei fast jedem anderen zum Scheitern verurteilt wäre, bei Salome Kammer geht es auf. Das ist nicht allein der Virtuosität dieser Sängerin mit den scheinbar unbegrenzten Möglichkeiten zu danken, die den ariosen Ton mit der gleichen Selbstverständlichkeit wie den des Chansons trifft. Es ist vor allem die Persönlichkeit Kammers, die den Abend zu einer fortlaufenden Geschichte werden lässt.
S. Michalzik, Frankfurter Rundschau, 2004
Als Cellistin Clarissa Lichtblau in Edgar Reitz‘ Filmepos „Zweite Heimat“ war sie der umschwärmte Mittelpunkt des Freundeskreises junger Münchener Musikstudenten. Die reale Szene der zeitgenössischen Musik reißt sich heute um sie als Sängerin. Doch dieser geschlossene Zirkel der exklusiven E-Musik-Welt reicht einer Frau wie Salome Kammer nicht, um ihre vielfältigen Begabungen auszuleben. So reist sie mit Peter Ludwig durchs Land. Mit ihrem dritten gemeinsamen Programm begeisterten die beiden Künstler das Publikum in der dicht besetzten Seeresidenz in Seeshaupt…Die stimmlichen und darstellerischen Möglichkeiten dieser Frau sind hinreißend.
Süddeutsche Zeitung, STA, 2004
…Jetzt leiht die Sängerin und Schauspielerin Salome Kammer zusammen mit Komponist und Pianist Peter Kudwig dem „Kleingedruckten“ aller Art ihre Wunderstimme…Wenn dieses hochmusikalische Duo die Alltagslyrik aus Gebrauchsanweisungen, Beipackzetteln oder Handbüchern aufgreift, werden hinreißende Performances daraus.
Mit allen stimmlichen Mitteln hebt Salome Kammer, das Rampentier im frivolen roten Kleid Absurdes und Abstruses konterkarierend auf eine höhere Ebene. Sie fiept, gurrt, flötet, schmettert, jodelt und tremoliert. Ein Mimik-Monster, ein Stimm-Chamälion: das Optimum der Verbindung von Komik und avantgardistisch geschulter Technik…..ausgezeichnet mit dem AZ Stern des Jahres 2002 als „Stimme ohne Grenzen“
Roland Spiegel, Abendzeitung, München, 2002
… was es an banalen und bürokratischen Texten zwischen Beipackzettel, Fahrplänen, Steuertipps und Vereinssatzungen gibt, haben Salome Kammer und Peter Ludwig absurd vertextet und in originelle Kompositionen gezwungen. Der Spürsinn des Duos hat sich gelohnt: Das Kleingedruckte erweist sich als eine Fundgrube an Skurrilität, die nie ins Rampenlicht gekommen wäre, wenn sie Peter Ludwig nicht vertont hätte. Ludwig bleibt bescheiden der Mann am Klavier, der versponnen vor sich hin spielt und uns träumen läßt. Schließlich steht Salome Kammer im Mittelpunkt, die seit ihrem Debüt im Filmepos „Heimat“ immer vielseitiger geworden ist. Ob Jazziges oder Jodler, ob große Arie oder Kinderlied – sie singt nicht nur, sondern liefert gleich ein ganzes Orchester mit.!
Mit trockener Komik erzählt sie bizarre Geschichten über Tinnitus und Tampons und spielt sich hinreißend, mit allen schauspielerischen Finessen eines geheimnisvollen Wesens zwischen Clown, Kindchen und Diva in Herzen und Köpfe des entzückten Publikums in der Lach & Schieß.
Barbara Welter, tz, München, 2002
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