Pierrot Lunaire von Arnold Schönberg

Pierrot Lunaire in München

Keine kann“s wie sie
100 Jahre ‚Pierrot lunaire‘ mit Salome Kammer im Künstlerhaus

München – Dass die Münchner Philharmoniker dem ‚Pierrot lunaire‘ zum hundertsten Jubiläum der Uraufführung eigens ein Kammerkonzert widmen, beweist vor allem eins: dass Schönberg mehr Denkmal als feste Größe ist. Dabei war er selbst von seiner künftigen Massenkompatibilität vollständig überzeugt, wie nicht zuletzt ein überraschender Hang zur leichten Muse belegt. Schönberg schätzte Lehár und Gershwin, er instrumentierte für Geld Operetten und zum Vergnügen Johann Strauß; und ein paar ziemlich schmuddelige, also ziemlich gute Chansons machten ihn 1901 für ein Jahr zum Kapellmeister des Berliner Kabaretts ‚Überbrettl‘.

Salome Kammer singspricht diese ‚Brettl-Lieder‘ deshalb genau, wie sich das gehört: indem sie sich mit dem ganzen Gewicht der eigenen Persönlichkeit draufschmeißt und zu Paul Rivinius“ passend trocken pointiertem Klavierspiel teils rauchig rotzt und teils berlinert, aber die schönste Nebensache immer wortreich beschweigt.

Dass dem ‚mondverrückten Pierrot‘ aus der atonalen Phase so selten gehuldigt wird, liegt ja auch daran, dass das derzeit keine so kann wie die Kammer. Auf der Jahrhundertwendebühne im Künstlerhaus reiht sich der Zyklus ein in die Tradition exzentrisch stilisierter Kleinkunst, oder, bei Kammer, irgendwo zwischen Blasphemie und Kinderschreck. Denn Kammer folgt, liest man die Partitur mit, Schönbergs 21 ausnotierten Sprechgesängen atemberaubend genau, und zwar auswendig. Zugleich aber hat sie sie derart verinnerlicht, dass sie die ganze Künstlichkeit, Ironie und Groteske enthemmt nach außen stülpen kann. Begreiflich, dass die Philharmoniker-Solisten – nach tiefenromantisch ausgelotetem Beginn mit dem Klavierquartettfragment von Gustav Mahler – bei solcher Feinsinnigkeit theatral etwas zurückbleiben.

Michael Stallknecht, Süddeutsche Zeitung, 2012

 

Salome Kammer spricht und singt Schönberg
Darstellende Kunst

Eine Matinee der Münchner Philharmoniker im Künstlerhaus am Lenbachplatz spannte den Bogen von einem Jugendwerk Gustav Mahlers, dem Klavierquartett a-Moll (1876), über den Spätromantiker Arnold Schönberg (‚Brettl-Lieder‘) zu dessen Phase freier Atonalität. Diese war durch ‚Pierrot lunaire‘ vertreten, ein Melodram, das 1912, vor hundert Jahren, uraufgeführt wurde. Die Philharmoniker hatten ein halbes Dutzend Musiker entsandt: Michael Martin Kofler (Flöte), Alexandra Gruber (Klarinette), Matthias Ambrosius (Bassklarinette), Helena Madoka Berg (Violine), Julia Rebekka Adler (Viola) und Sissy Schmidhuber (Cello). Paul Rivinius versah den Klavierpart. Als Gesangssolist firmierte Salome Kammer, Sopran.
Der Festsaal des Künstlerhauses ist nicht für musikalische Zwecke entworfen. Es handelt sich um eine gründerzeitliche Mehrzweckhalle für den gehobenen, bildungsbürgerlichen Anspruch. Sie kann sich gleichwohl hören lassen, besonders bei kleinen Besetzungen. Reichlich Textil, zumal vor den Fenstern, dämpft den Hall unter dem hohen, fast basilikalen Gewölbe. Auch an diesem Sonntag Mittag war klanglich nichts zu beanstanden. Pierrot bzw. Salome Kammer war fast immer deutlich zu hören, im rechten Verhältnis zum kleinen Orchester.
…Nun wurden fünf der ‚Brettl-Lieder‘ Arnold Schönbergs gegeben, auch dies ein Frühwerk. 1901 war Schönberg, sechsundzwanzigjährig, weit entfernt von atonalen Experimenten. Fürs „Überbrettl“, ein Berliner Cabaret, komponierte er ein Dutzend Chansons. Die Verse balancieren zwischen Macht und Ohnmacht, Liebe und Krieg. Paul Rivinius am Flügel zog sich auf wachsames Zuhören und Spiegeln zurück – eine sehr achtbare Leistung. Salome Kammers flexible Agogik wurde getreu reflektiert. Sie machte das Ganze des Körpers und des Gesichts, vor allem die Stimme zur Bühne. Ihr Vortrag, konzertant, hatte szenische Qualitäten. Derbe, grelle, parodistische Effekte wurden nicht verschmäht. Der Ausdruck „Darstellende Kunst“ war mit Leben erfüllt. Der Wechsel von Sing- und Sprechstimme, tiefem und hohem Register, Lautstärken, Vibratointensitäten und Stimmfarben wurde sicher bewältigt. Nie konnte der Eindruck entstehen, eine Schauspielerin habe sich unter die Sänger verirrt, eine Sängerin unter Schauspieler.
Die zweite Hälfte des Programms war ‚Pierrot lunaire‘ gewidmet, einem Hauptwerk freier Atonalität und des musikalischen Expressionismus. Im März 1912 hatte Schönberg die Arbeit begonnen: „ ich gehe unbedingt, das spüre ich, einem neuen Ausdruck entgegen. Die Klänge werden hier ein geradezu tierisch unmittelbarer Ausdruck sinnlicher und seelischer Bewegungen.“ Der Rang des ‚Pierrot‘ ist daran abzulesen, dass neben Kanon, Passacaglia und Rondo Verfahren wie Krebs und Spiegelung angewandt werden, die später als „Zwölftonmusik“ in starrer, dogmatisch verfestigter Form kanonisiert werden sollten. Hier werden sie unbefangen und frei, in enger Beziehung zum Wortlaut verwendet. Ein weiterer Vorzug liegt in der solistischen Instrumentierung, die vom Cello über Bratsche, Klarinette, Geige und Klavier zur (Piccolo-)Flöte die meisten Farben eines Orchesters einfängt.
Pierrot, der traurige Clown der Commedia dell‘arte, berichtet in drei mal sieben Liedern von menschlichen Dingen: Liebe, Tod, Glaube, Gewalt. Das Pathos großer Worte wird humoristisch ausbalanciert. Der Sprechgesang der Diseuse, teils schnoddrig alltagsnah, teils stilisiert, trägt kabarettistische Wirkungen bei. Salome Kammer agierte körpersprachlich verhaltener als zuvor, mit gleichbleibender stimmlicher Einbildungskraft. Der Klang der Vokale wurde in Ausdruck verwandelt, teils lautmalerisch übersetzt. Portamento, messa di voce, tragendes Piano und fein gesponnener Flüsterton standen Kammer jederzeit zu Gebote. Der akustische Eindruck allein hätte das szenische Geschehen vergegenwärtigen können.
Die Musiker leisteten vorzügliche Arbeit. Auch in dicht instrumentierten Passagen kamen Einsätze synchron. Alle Beteiligten trafen den trockenen, aber phantastischen, mondsüchtigen Ton dieser Gesänge. An erster Stelle ist Michael Martin Kofler zu nennen, der die Obertonarmut der Flöte durch beredte Artikulation und Phrasierung wettmachte. Motive wurden wie mit dem Silberstift ausformuliert. Auch vor schrillen Tönen schreckte Kofler nicht zurück. An Klangphantasie fehlte es keinem der Musiker. So kam, beispielsweise, die rembrandtdüstere Mischung von Bassklarinette, Cello und tiefem Register des Flügels vollauf zur Wirkung. Nächtlicher hat Musik nie geklungen. Pierrots Geburtstag war würdig begangen worden.

Daniel Krause, klassik.com, 2012

 

STIMMWUNDER

Salome Kammer beweist mit Schönberg ihre Ausnahmestellung

Salome Kammer ein großartige Sängerin zu nennen, wäre untertrieben. Sie ist vielmehr eine phänomenale Stimmakrobatin, die keine Grenzen zwischen Sprechen und Singen, Spiel und Ernst kennt, wie auch ihre neue CD mit Musik von Mozart, Berg, Berio und zeitgenössischen Komponisten unter dem bezeichnenden Titel „Salomix-max“ beweist.
Damit bringt sie die besten Voraussetzungen mit, um Arnold Schönbergs „Pierrot lunaire“ für Sprechstimme, Klavier, Flöte, Klarinette, Geige, Bratsche und Cello in jeder Hinsicht gerecht zu werden. Im Orff-Zentrum gestaltete Kammer die frechen, teils makaberen oder gar blasphemischen, dann wieder poetischen, immer herrlich schillernden 21 Melodramen aus dem Jahr 1912, als wären sie für ihre Stimme und ihr schauspielerisches Talent komponiert.
Wie eine Diseuse der zwanziger Jahre zelebriert sie ihren Auftritt, singt und spricht auswendig, dabei enorm präzise im Rhythmus und in den vorgegebenen Tonhöhen. Hände, Arme und Gesicht aber spielen die artifiziellen, in bleiches Mondlicht getauchten musikalischen Kabinett-Stücke als kleine Tanzszenen. Stets wandelt Salome Kammer dabei auf dem schmalen Grat zwischen Expressivität und Übertreibung, zwischen Hysterie, Spott und mildem Lächeln…

Klaus Kalchschmid, Süddeutsche Zeitung,2009

Pierrot Lunaire in Berlin

…Auch im skurrilen „Pierrot Lunaire“ zeigt sich der DSO-Chef Ingo Metzmacher als vorzüglicher Pianist. Salome Kammer, für den Sprechgesangspart dieses Melodrams geeignet wie keine andere, bringt das Außerordentliche, zeigt „Pierrot“ als bösen Gnom, der die blutrünstigen Mondfantasien genießt. Legionen von Konzertdiven erstickten das im Schöngesang…

Isabel Herzfeld, Tagesspiegel, 2009

 

Pierrot Lunaire in Hamburg

Kontrapunkt als Schlusspunkt der Saison

Mit einem Sonderkonzert der Extraklasse beendeten die Philharmoniker ihre Kammerkonzertserie 2006/07. Die Sonntags-Matinee mit Simone Young am Flügel gehörte zuvörderst einer Künstlerin, die Gesangsfächer und Repertoiregrenzen sprengt: Salome Kammer passt unter keine Spartenklammer. Ihr darstellerisches Wirkungsfeld reicht von der TV-Filmserie „Heimat“ bis zu Kurt Weills „Sieben Todsünden“. Vom Timbre her Mezzosopran, fällt sie problemlos von einem Rollen-Extrem ins andere: eben noch quasi instrumental mit den Vokalen und Konsonanten des 1968 ermordeten Bürgerrechtlers Martin Luther King beschäftigt (Luciano Berio: „O King“), stürzt sie sich in die verspielte, teils näselnde, kehlige oder girrende Liederwelt der Völker (Berio: „Folk Songs“), um nach der Pause in den gekünstelten Sensualismus des Fin de siècle einzutauchen (Schönberg: „Pierrot lunaire“).
Für den Gattungszwitter des Melodrams – zu Goethes Zeit aufgekommen, erlebte er bei Liszt, Strawinsky und besonders im Schaffen Arnold Schönbergs eine bedeutende Spätblüte – ist die Multi-Künstlerin Kammer wie geschaffen. Auch wenn mir die Lösung der absonderlichen Sprechgesangsrolle, die Helga Pilarczyk 1962 mit den Solisten der Domaine musicale unter Pierre Boulez fand, nach wie vor unübertrefflich scheint – Salome Kammer und das philharmonische Quintett mit Simone Young (Klavier), Björn Westlund (Flöte/Piccolo), Rupert Wachter (Klarinette/Bassklarinette), Monika Bruggaier (Geige/Bratsche) und Olivia Jeremias (Violoncello) boten eine überwältigende „Ansicht“ des bald 100 Jahre alten Hauptwerks der atonalen Schaffensphase Schönbergs: Pierrot, Nachfahr der Commedia dell’arte, geistert im Lichte des „nächtig todeskranken Monds“ ironisch überspannt durch die schwüle Verswelt des Lyrikers Albert Giraud. In der Verdeutschung des Naturalisten Otto Erich Hartleben inspirierte sie um 1900 mehrere Komponisten, bevor Schönberg auf Bitten einer Wiener „Diseuse“ dem Mondzauber, den Spukgesichten und Heimwehsüchten des transsexuellen Dandys erlag – eine Sternstunde, der die Nachwelt eines der sonderbarsten Wunderwerke des Expressionismus verdankt, umrankt und eingesponnen in ein hochartifizielles Gewebe kontrapunktischer und klangbildlicher Finessen. Das Publikum in der kleinen Musikhalle war entzückt.

Lutz Lesle, Die Welt, 2007

 

Pierrot verneigt sich vor Salome

HAMBURG -Laeiszhalle
Das gut besuchte Sonder-Kammerkonzert der Hamburger Philharmoniker stand im Zeichen des expressiven modernen Gesangs, in Vollendung demonstriert von der Neue-Musik-Expertin Salome Kammer. Wie ein Blasinstrument klang ihr Mezzosopran in Luciano Berios „O King“, die Flatterzunge gekonnt vom vibrierenden Unterkiefer nachgeahmt.
In Berios Adaptionen von Volksliedern aus den USA, Armenien, Frankreich, Italien und Aserbaidschan wandelte Kammer charmant schauspielernd und mit hoher Textverständlichkeit zwischen nationalen Gesangsstilen vom Mittleren Westen bis zum Nahen Osten umher. Mal mädchenhaft schlicht, mal voluminös, mal knarzig, dann wieder hauchig und verrucht: Schwer fassbar, dass all dies aus ein und derselben Kehle floss.
Für eine so expressive Schauspieler-Sängerin ist Schönbergs „Pierrot Lunaire“ zwangsläufig Paradestück und überzeugte auch dank Klavier-Dirigentin Simone Young, die verstand, ihrer Solistin alle Freiheiten einzuräumen. Wann senkten sich die finstren schwarzen Riesenfalter je beklemmender über ein Konzertpublikum nieder?

meg, Hamburger Abendblatt, 2007

 

Pierrot Lunaire in Nürnberg

…Weder ausgereizten Kunstgesang noch theatralisch überzeichnete Chansonkünste vertragen diese halb gesungenen, halb gesprochenen, halb deklamierten Nachtschattengewächse. Jede deutliche Überzeichnung setzt die geforderte Balance sofort außer Kraft.
Die Münchner Ausnahmesängerin Salome Kammer balanciert spielend auf dem schmalen Grat zwischen subtiler Überhöhung und vertonten Lebenslinien – und zwischen volltönender Kopfstimme und niederschwelligem Sprechgesang. Leichtgängig und flüssig, unangestrengt, fein nuanciert und traumwandlerisch sicher navigiert Kammer ihren wundersamen wie wunderbaren „Pierrot Lunaire“ zwischen den Audrucksformen – mal Bühnentier, mal Traumtänzerin…

Anja Barckhausen, 2010

 

Pierrot Lunaire in Freiburg

 …Das ausgerechnet Schönbergs 1912 unter allerlei Störgeräuschen uraufgeführtes, atonales Melodram für enthusiastischen Beifall sorgte, ist bemerkenswert. Mit Salome Kammer hat das sechsköpfige SWR-Instrumentalensemble eine herausragende Künstlerin dabei, die die 21 Gedichte von A. Giraud zu tragischen, witzigen, kindlichen, grotesken, sinnlichen oder auch hochdramatischen Miniaturen macht. Ihre Interpretation ist ein Ereignis. Den speziellen Schönbergschen Sprechgesang füllt sie mit Leben und vor allem mit Witz. Ganz präzise verzahnen sich Stimme und Instrumente. Ein Glücksfall!…

Georg Rudiger, Badische Zeitung, 2013

 

Pierrot Lunaire und Medea in Freiburg

…Die Stimme des Abends gehört Salome Kammer. Für die Schauspielerin, Sängerin, Cellistin und Stimmkünstlerin ist das ein Heimspiel, nicht zuletzt aufgrund der scheinbar grenzenlosen Möglichkeiten, die ihren Stimmbändern gegeben sind. Was im Übrigen nicht dazu führt, dass Pierrot als extrovertierter Vor-Dadaist auf der Bühne erscheint. Ganz im Gegenteil. Schönberg hätte vermutlich seine Freude daran gehabt, wie subtil, wie nuancenreich, vor allem wie feinsinnig artistisch Kammer sich auf dem kompliziert gewobenen instrumentalen Spinnennetz bewegt. Von der Deformation der Sprache („Du nächtig todeskranker Mond“) bis zur vokalen Clownerie („Mit groteskem Riesenbogen“) verfügt die Solistin über schier unendliche Möglichkeiten der Zwischentöne, ohne sich wie manch andere Interpreten des Parts in den Vordergrund zu drängen. Die „recherche“ Musiker setzen die Gegengewichte, halten so perfekt die Balance, dass es nicht nur eine Sprechmelodie gibt, sondern deren sieben.
Was ist anders an Bendas Melodram „Medea“? Nicht so viel, im Gegenteil. Auch hier erscheinen Instrumentalisten und Sprecher als ebenbürtig. F.W. Gotters Text wirkt in seiner Nüchternheit ungeheuer modern – Salome Kammer lädt ihn mit einer an der Gegenwart geschulten naturalistischen Sprechweise auf, die die Aktualität der Tragödie um die betrogene Frau und Mutter sichtbar macht. Und das Freiburger Barockorchester kommentiert die Affekte von Rache bis Verzweiflung in drastischer Plastizität, präzise und musikantisch. Einem unglaublich modernen Werk steht man da gegenüber, fasziniert und verwundert gleichermassen. Oder wie Schönberg sagt: „Tierisch unmittelbar“.

Alexander Dick, Badische Zeitung, 2007

 

Pierrot Lunaire in Darmstadt

Das faszinierendste Stück des Abends ist Schönbergs „Pierrot lunaire“ – kraft der raffiniert eingesetzten Instrumente und vor allem durch die Sprechstimme, angesiedelt zwischen rhythmischer Rezitation und Gesang. Doch Salome Kemmer macht aus dieser Partie noch mehr, wobei ihre künstlerische Vielseitigkeit besonders zustattenkommt. Denn sie ist sowohl Sängerin als auch Schauspielerin, und weil sie als ehemalige Cellistin eine Menge von der Instrumentalmusik versteht, verbindet sie ihre Sprechstimme auf frappierende Weise mit den sie begleitenden Instrumenten und ahmt dadurch auch deren Klangartikulation nach.
Kammer instrumentalisiert die Sprache; das ist das Besondere ihrer Interpretation. Sie flüstert, schreit, säuselt, schmeichelt, singt, wo es emotional wird, spricht und skandiert in höchsten und tiefsten Tönen, meißelt Worte und Silben im Staccato heraus, zischelt und wispert. Sie stellt Pierrot dar, wie er schmachtet und sich sehnt nach dem Mond, der die romantische Vergangenheit symbolisiert. Immer wieder scheint Kammer über das Gesprochenen in Erstaunen zu geraten. Sie macht am Ende mit schwindender Stimme klar: Der alte Duft aus Märchenzeit ist heute längst vorbei. Die Rezitation träumt sich dabei, wie es im Text heißt, „hinaus in selge Weiten“.

Heinz Zietsch, Darmstädter Echo, 2005

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